Stimmt.
Doch das war nicht immer so.
Es gab auch eine Zeit, in der ich als Mensch fast auf der Strecke geblieben wäre. Ich musste damals zu meinem Arbeitsplatz pendeln und tauschte somit meine Freizeit gegen die Fahrzeit.
Heute weiß ich, das ist alles eine Frage der Priorität.
Wie es zum Pendeln kam.
Vor 7 Jahren entschieden sich mein Mann und ich aufs Land zu ziehen und so wurde damit nicht nur unser damals größter Traum erfüllt, sondern auch finanziell ging es wieder aufwärts.
Das Einzige was wir investierten, war Zeit. Viel Zeit. Doch das bemerkten wir erst viel später. Wir fuhren jedes Wochenende mit einem vollen Anhänger von unserer Wohnung in Wien ins 120 km entfernte Waldviertel. Dort wurde im Haus, das sich noch im Rohbau befand, 1,5 Tage lang gewerkelt bis wir wieder nach Wien mussten um unserer Arbeit nachzugehen. Im Haus musste alles fertig sein bevor die Heizungsmonteure kamen und das ganze Haus mit Rohren verlegten. Danach war die Fassade noch dran. Da ein Winter im Waldviertel sehr frostig ist (ich erlebte als Jugendliche dort -27°, 3 Tage später hatte es sogar -31°), sind eine ordentliche Dämmung und eine gute Heizung ein Muss.
Als dann der Tag zur Übersiedlung näher rückte und noch immer kein Job im Waldviertel in Aussicht war, fanden wir uns erstmals mit dem Pendeln ab. So fuhr jeder mit seinem Auto täglich über 250km und da es nur für einen kleinen Teil der Strecke eine Autobahn gab und der Rest auf der Bundesstraße zurückgelegt werden musste, verbrachten wir an die 3-4 Stunden auf den Straßen. Es kam auch schon vor, dass es den Mega-Stau in der Stadt gab, dann trafen wir uns zum Essen und fuhren erst später los, so gegen 20:00 Uhr, wenn sich der Stau auflöste und kamen dann erst um 21:30 Uhr zu Hause an, wo es bald ins Bett ging, denn man musste ja auch wieder früh raus.
Was das Pendeln einem abverlangte.
Ich war also täglich von 6:00 Uhr bis 19:00 Uhr unterwegs. Da blieb nicht viel Zeit um am Abend noch großartig etwas anzustellen. Man muss bedenken, dass ich mich den ganzen Tag zu konzentrieren hatte. Sowie in der Arbeit, als auch im Straßenverkehr und das machte müde. Sehr müde. Vor allem zur Winterzeit, wo man ausschließlich im Dunkeln unterwegs war. Doch diese Müdigkeit musste ich vorerst unterdrücken, damit zumindest ein kleiner Teil des Haushalts erledigt werden konnte.
Eine Erleichterung brachte mein neuer Geschirrspüler und meine neue Waschmaschine, beide konnte ich so programmieren, sodass sie zum Zeitpunkt meines Eintreffens fertig waren und ich noch eine 2. Maschine Wäsche waschen und aufhängen konnte bevor ich erledigt im Bett landete. Zwischendrin musste auch für das Essen gesorgt werden. Denn mein Mann war als Bote für Apotheken von 4:30 bis oft um 21:00 Uhr unterwegs und brauchte noch mehr Energie. Anstatt „Kam, sah und siegte“, hieß das Motto damals bei ihm „Kam, aß und schlief.“ Er verschlief auch den Samstagvormittag und dann wurde wieder im Haus gewerkelt. Materialen dafür besorgte ich oftmals am Heimweg oder wenn wir beide mal Urlaub nahmen, dann war Großeinkauf in Bauhäusern angesagt.
Den einzigen Luxus, den wir uns gönnten war am Donnerstag nach der Arbeit. Mein Mann hatte sich diese Zeit immer extra frei gehalten. Wir trafen uns immer zur selben Zeit vor einem Supermarkt schon fern weg der Autobahn in Richtung neue Heimat und kauften für eine ganze Woche ein. Nichts durfte vergessen werden. Denn ein nochmaliges Einkaufen bedurfte ein neues Zeitmanagement. Anschließend gingen wir noch in das Kaffee gleich nebenan und tranken noch eine Kleinigkeit, bevor die Fahrt weiterging.
Zu Hause wurde ausgepackt und eingeräumt. Schließlich landeten wir mit einer Jause vor dem Fernseher und sahen uns irgendeine leichte Abendserie an, die um 21:00 Uhr wieder endete, denn länger konnten wir die Augen nicht mehr offen halten.
Wenn dann noch jemand meinte, dass ich mir doch Mal 10 Minuten für Sport und/oder Freunde Zeit nehmen sollte, war ich stinksauer. Dann hörte man noch „Sind ja nur 10 Minuten.“ oder „Was sind schon 10 Minuten?“
Grrrrr. Es gab nicht mal 1 Minute. Ich war zu müde und jede Minute Schlaf war Gold wert, also verschont mich mit Sport oder sonstigem, wofür ich NUR 10 Minuten bräuchte.
Mein Schatz und ich waren mal an einem Freitagabend mit Freunden fort und er schlief dort im Stehen ein, sodass ich beschloss ihn nach Hause zu bringen. So wurde auch der Freundeskreis immer kleiner.
Es geht auch ohne Pendeln, wenn man seinem Wunsch nachgeht. "Prioritätensetzung"
Nach fast 2 Jahren pendeln und einem fast fertigen Haus (3 Räume warteten noch auf ihre Verschönerung), wollten wir auch wieder etwas anderes machen und schrieben uns im Urlaub im 20 km entfernten Fitnessstudio ein und gingen auch fleißig hin. Nach der Arbeit so gegen 19:00 Uhr fand ich mich im Studio ein und blieb bis zu 2 Stunden, dann noch 20 Minuten Fahrt nach Hause und kam somit erst nach 21:00 Uhr an. Essen gab’s an dem Tag nur in Form von Wurstsemmeln während der Fahrt von der Arbeit ins Studio.
Das schaffte ich ein halbes Jahr, dann war der Ofen aus. Über Weihnachten war der Betrieb, in dem ich damals arbeitete, geschlossen und ich nutzte diesen Urlaub um mir über meine Zukunft Gedanken zu machen. Ich beschloss mir einen Job hier in meiner neuen Heimat zu suchen und spätestens bis Mai zu kündigen, ob mit oder ohne neuem Job. Genau das erklärte ich meinen damaligen Vorgesetzen nach meinem Urlaub, der nicht gerade glücklich darüber war, aber mich verstehen konnte. Denn auch er war ein Pendler und fuhr 1 Stunde zur Arbeit. Schon nach einem Monat Suche, fand sich eine Stelle, die in nur 7 Autominuten zu erreichen war und so kündigte ich meinen alten Job.
Mein Mann zog mit und kündigte auch seinen Job und arbeitete zwischenzeitlich als Leiharbeiter bis er seinen jetzigen Job als Monteur erhielt. Er ist zwar nun auch nicht viel zu Hause, aber die Zeit, die er zu Hause ist, kann er wieder genießen und verschläft nicht die Hälfte. Es begann eine tolle Zeit und die restlichen Räume wurden auch nach und nach fertig.
Auch ich hatte zwischenzeitlich den Job gewechselt und habe zwar nun 20 Minuten zur Arbeit, aber es ist genau der Job, den ich mir gewünscht hatte. Noch dazu konnte ich bei diesem Job Stunden einsparen, sodass ich nun einen Nachmittag noch mehr frei habe, wie ich es *hier* schon mal berichtet hatte.
Fazit
Ich kann mir nun die Zeit so einteilen wie ich möchte und ich möchte viel Freizeit für mich beanspruchen, daher gibt es auch so viele Beiträge von mir übers relaxen und es sich gutgehen zu lassen.
Erst, wenn einem für lange Zeit Freizeit genommen wurde, weiß man seine Freizeit zu schätzen und sie sinnvoll einzusetzen.
Diese viel gewonnene Freizeit lasse ich mir nicht mehr so einfach nehmen und verwende sie dazu mich auf meine Wünsche zu konzentrieren. Das war und ist meine Priorität.
Wie kann ich nun jemand helfen, der gerade in so einer Zwickmühle eines langem Pendelalltags lebt?
Bist du davon betroffen? Dann geht es nächsten Donnerstag mit *Teil 2* für dich weiter. Aber auch alle anderen sind eingeladen den Artikel zu lesen. Da geht es darum nachzudenken, wie wichtig einem die momentane Situation ist, die einem zum Pendeln zwingt. Die Fragen, die man sich stellen sollte sind: Will ich etwas daran ändern? Wenn „JA“, dann wie?
Bis dahin.
Schau auf dich.
Deine
Edith
Oh Gott, das hört sich ja nach einer ganz schön harten Zeit an, da komme ich mir fast lächerlich vor, wenn ich mich darüber aufrege, dass die Busfahrt von meinem Dorf zur nächsten Stadt 25min dauert. :D Ich könnte mir das gar nicht vorstellen jeden Tag, so lange im Auto zu sitzen.
AntwortenLöschenDas Foto ist richtig schön. :)
Liebe Grüße Pierre von Milk&Sugar
Hello Pierre,
LöschenZeit ist Gefühlssache. Ich fahre jetzt 22 Minuten selbst mit dem Auto und verwende die Zeit um abzuschalten. Es gibt Leute, die sofort nach dem Verlassen der Arbeitsstätte abschalten können und sich sofort im Privatmodus befinden. Vielleicht zählst du auch dazu. Dann ist für dich die Fahrt mit dem Bus eine Wartezeit, dass du endlich zu Hause bist. Doch auch im Bus kann man sich beschäftigen, das kannst du kommenden Donnerstag hier lesen.
Freu mich auf Dich
LG
Edith